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Eltern bleiben trotz Trennung

Jede vierte Ehe in Südtirol wird geschieden, in 40 Prozent aller Fälle sind Kinder mitbetroffen. Sie kommen häufig unter die Räder, wenn die trennenden Paare sich bekämpfen und das Wohl der Kinder aus den Augen verlieren. Zum heutigen Welttag der Kinderrechte haben Familienberatung, Kinder- und Jugendanwaltschaft und Familienagentur im Beisein der Landesrätinnen Waltraud Deeg und Martha Stocker eine neue Broschüre unter dem Titel „Eltern bleiben trotz Trennung“ vorgestellt. Sie informiert darüber, wie Kinder trotz Schmerzes behütet durch die Trennungszeit kommen können. An Betroffene ergeht der Appell, sich bei Bedarf professionelle Hilfe zu holen.

Stocker, Rechenmacher, Ladstätter, Deeg und Schmid (v.l.) bei der Vorstellung der Broschüre

Heute ist der internationale Tag der Kinderrechte. Genau vor 25 Jahren wurde die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen international verankert. Artikel 2 dieser Konvention sieht vor, dass alle Kinder und Jugendlichen das Recht auf beide Eltern haben - auch bei Trennung und Scheidung. Gleichzeitig hat sich laut ASTAT in den vergangenen 25 Jahren die Zahl der Trennungen in Südtirol verdrei- bis vervierfacht. Jede vierte Ehe wird inzwischen geschieden, im vergangenen Jahr waren 557 Trennungen und 492 Scheidungen zu verzeichnen. In vier von zehn Trennungsfällen sind ein oder mehrere Kinder mitbetroffen.

Während eine Trennung für das zerstrittene Paar eine Befreiung sein kann, bedeutet sie für die Kinder einen Schicksalsschlag: Sie brauchen ihre Eltern, auch wenn deren Beziehung als Paar in die Brüche gegangen ist. Die Direktorin Elisabeth Rechenmacher der „Ehe- und Erziehungsberatung Südtirol" ist Mitherausgeberin der neuen Broschüre „Eltern bleiben trotz Trennung". Täglich hat sie in der Familienberatung mit Trennungskindern zu tun: „Trennungen sind ein Erdbeben für die Seele der Kinder", sagt sie. Sie bräuchten Zeit und Beistand, um diesen Schock zu verarbeiten. Jedes Kind reagiert dabei je nach Alter und Charakter in einer anderen Art und Weise, bringt seine Gefühle durch Zorn Trauer, Angst, Aggression oder Rückzug zum Ausdruck. „Sehr oft fühlen sich die Kinder für die Trennung der Eltern verantwortlich und haben Schuldgefühle", sagt Rechenmacher. Sie weist auch darauf hin, dass Kinder ebenso leiden, wenn ihre Eltern zusammenbleiben und ständig streiten.

Gudrun Schmid von der Familienagentur und Projektleiterin für die „Elternbriefe" ist Co-Autorin der Broschüre. „Für das Leben nach der Trennung gilt es, klare Abmachungen zu treffen und diese den Kindern mitzuteilen", sagt Schmid. Dann sei es leichter für sie, sich zu orientieren und mit der neuen Situation umzugehen. Es geht dabei um ganz konkrete Dinge wie zum Beispiel, wer die Kinder wann und wo abholt und zurückbringt. Je kleiner die Kinder sind, desto weniger Zeit sollte zwischen den Treffen mit dem Elternteil, das ausgezogen ist, vergehen, rät die Mitarbeiterin der Familienagentur.

Im Konfliktfall gibt es auch die Möglichkeit, sich an eine Mediatorin oder einen Mediator zu wenden. Dabei handelt es sich um neutrale Personen, die gelernt haben, in Konfliktsituationen Lösungen zu finden, die beide Parteien mittragen können. Mediationsadressen finden sich im Adressenverzeichnis der Broschüre.

Kinder- und Jugendanwältin Paula Maria Ladstätter benennt die Gesetzesnovelle Nr. 54 vom
8. Februar 2006. Damit wurde in Italien das gemeinsame Sorgerecht für minderjährige Kinder eingeführt. Das Kind hat trotz Trennung oder Scheidung der Eltern das Recht, weiterhin eine ausgewogene und dauerhafte Beziehung zu beiden Elternteilen zu haben und von beiden Eltern betreut und erzogen zu werden. Das Kindeswohl steht im Mittelpunkt. Eltern müssten nach der räumlichen Trennung auch weiterhin in Kontakt bleiben, sich absprechen und gemeinsam Lösungen für das Kind finden, sagt die Kinder- und Jugendanwältin. Kinder hätten den Wunsch und das Recht, weiterhin beide Eltern gleich lieb haben zu dürfen. Um dafür mehr Sensibilität und Bewusstheit zu schaffen, hat bereits Ladstätters Vorgängerin Vera Nicolussi Leck die neue Broschüre mit angeregt.

Trotz der Trennung sollten Vater und Mutter sich gegenseitig als Eltern respektieren und darum bemühen, ihre Konflikte konstruktiv zu lösen, sagt Elisabeth Rechenmacher. Für viele Eltern sei es bis heute ein Tabu, psychologische Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Sie rät Betroffenen, sich nicht zu scheuen, in Trennungssituationen frühzeitig für sich persönlich, für sich als Eltern und für die Kinder professionelle Unterstützung zu suchen.

Die Landesrätinnen Waltraud Deeg und Martha Stocker begrüßten die neue Broschüre: Ehetrennungen und -scheidungen sind auch in Südtirol keinen Seltenheit mehr, sagten sie. Für die Kinder bedeuteten sie immer ein einschneidendes Erlebnis. Väter und Mütter könnten vieles dazu beitragen, damit ihre Kinder die Trennung möglichst gut bewältigen. „In dieser Broschüre erhalten Eltern wichtige Informationen darüber, worauf sie in dieser heiklen Phase besonders achten können", erklärten sie abschließend. „Elternschaft bedeutet auch Verantwortung", meinte Familienlandesrätin Waltraud Deeg, „Eltern sein ist wunderschön, aber wenn es zu Konflikten kommt, muss man darauf achten, dass sie nicht zu Lasten der Kinder gehen. Es ist gut zu wissen, dass es für diese Fälle ein breites Beratungsangebot gibt." „Wenigstens in Mitteleuropa müssen Kinder nicht mehr wegen Mangel an Nahrung oder Bildung leiden", fügte Soziallandesrätin Martha Stocker hinzu, „aber man muss auch ihr Recht auf Unbeschwertheit und emotionale Begleitung berücksichtigen. Eltern müssen auch im Trennungsfalle Eltern bleiben."

Die neue Broschüre ist in deutscher und italienischer Sprache erhältlich. Sie liegt in der Familienberatung „Ehe- und Erziehungsberatung Südtirol", in der Kinder- und Jugendanwaltschaft und bei der Familienagentur auf und kann dort kostenlos u.a. Dank der Unterstützung der Stiftung Sparkasse angefordert oder auf den entsprechenden Webseiten heruntergeladen werden: http://www.kinder-jugendanwaltschaft-bz.org/, www.provinz.bz.it/familie, http://www.familienberatung.it/.

KJA

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